Dienstag, 16. April 2013

Schöne Ferien!

Schöne Ferien? Wer Familienferien macht, merkt, wie wandel- und dehnbar der Begriff schön doch eigentlich ist. Und irgendwie nebensächlich.

Ich erinnere mich dunkel an eine Zeit, als ich den Begriff Ferien mit Entspannung, Liegestühlen, Büchern, einer Prise Sport, ab und zu einer Rückenmassage und viel süssem Nichtstun assoziierte. Die Destinationen waren entweder exklusiv, kulturell vielschichtig oder zumindest anspruchsvoll (Helloooo India! Aber das ist eine andere Geschichte…), immer mehrere Flugstunden entfernt und sie trugen wohlklingende Namen wie die Malediven, Bali, Belize, Thailand oder Wakatobi. (Tja, da müssen Sie jetzt googlen, was?) Buchungskriterien waren die Artenvielfalt der Unterwasserwelt, wie viele Tauchgänge pro Tag angeboten wurden, ob der Wasserbungalow noch zu haben, das Restaurant ausgezeichnet und ein SPA vorhanden war.

Sie spüren Wehmut in meinen Worten mitschwingen? Tja, was soll ich entgegnen? Man könnte an dieser Stelle natürlich einfach cool mit den Schultern zucken und sagen, dass man sowieso schon alles gesehen, schon alles gemacht hat und man – müsste man auch nur noch ein einziges Mal auf die Malediven – den totalen Inselkoller kriegen würde. Könnte man. Ich kann Ihnen aber auch ganz einfach ehrlich sagen, wie es wirklich ist. Man bekommt Kinder. Und alles ist auf einen Schlag anders. 

Als frischgebackene Eltern versucht man ja eine kurze, anstrengende Zeit lang noch krampfhaft an seinem alten Leben festzuhalten. Das letzte, woran man denkt, bevor einen der Schlafentzugs-Wahnsinn mit voller Wucht niederstreckt und klares Denken für mehrere Monate nicht mehr möglich ist: Bloss nicht in diese grässliche Familien-Falle tappen und so bieder und trostlos enden wie alle andern Familien, die man – kurz bevor man selber eine gegründet hat – als abschreckendes Beispiel vor Augen hatte. 

Ich erinnere mich in diesem Zusammenhang mit leichtem Schauern an den krampfhaften ersten und letzten Versuch der herkömmlichen Ferienplanung mit unserer älteren Tochter. Der Plan war einfach: Genau wie früher, jetzt einfach mit knapp einjährigem Kind, extrem leger und entspannt nach Thailand zu fliegen und dort drei erholsame und erlebnisreiche Wochen zu verbringen. Alles klar. Nachdem wir den gefühlte 100 Stunden dauernden Flug mit dem bewegungsfreudigen Krabbelkind, das alle paar Stunden in der beklemmenden Enge der Flugzeugtoilette gewickelt werden musste (nein, diesmal gehst du, ich war das letzte Mal dran, nein du, nein du!), überstanden hatten, stellte sich heraus, dass unsere Tochter die Klimaumstellung von Januarkälte auf lauschige 30 Grad im Schatten nicht wirklich zu schätzen wusste. Den heissen Sand verabscheute sie zutiefst und ich kann mich nicht erinnern, dass die beiden Erwachsenen, die in dieser Geschichte vorkommen, in den coolen Strandlounges jemals gleichzeitig gechillt, geschweige denn gegessen hätten. Eine der Bierflaschen wurde immer warm und blieb halbvoll stehen. Die Zeitumstellung tat den Rest. Hätten wir für dieses Erlebnis nicht beinahe unseren gesamten Jahresurlaub geopfert, wir hätten zur Regeneration aller Beteiligten gerne noch zwei Wochen Erholung zu Hause angehängt. 

Mit der Zeit, und sobald man sich der Bieder-Falle untertänig ergeben hat - erwischen tut sie einen so oder so -, wird man dann vernünftiger. Mit der Konsequenz, dass sich die Feriendestinationen verändern. Sie kommen quasi näher und werden dabei irgendwie kleiner. Diametral dazu entwickelt sich hingegen das Ausmass an Gepäck, das mitgeführt wird. Praktisch wird zum zentralen Begriff der Ferienplanung, wie eigentlich generell des Lebens mit Kindern. Komm, lass uns mit dem Auto nach Österreich fahren. Ist nicht so weit. Und so praktisch, da können wir ALLES mitnehmen, was wir brauchen. Und wenn’s dann doch einmal etwas wärmer sein soll, sind die Balearen ja nicht weit. So praktisch, nur knapp zwei Stunden Flug. Ein Hotel mit überfülltem Speisesaal, dafür aber Kinderbuffet, Baby-Betreuung und Animation? Super praktisch! Lass uns das machen. Wer will schon coole Shisha-Lounges wenn er Kinderdisco haben kann. Der Begriff Schön soll einmal die Ferienplanung gesteuert haben? Nein, da müssen Sie etwas falsch verstanden haben. Praktisch soll es sein! Gutes Essen in einem schönen Restaurant? Überbewertet. Ist doch viel praktischer, man bringt Grundnahrungsmittel gleich selber mit und kocht jeden Abend, dann schmeckt’s auch wie zu Hause. Ghackets und Hörnli schlägt exotischen Fisch vom Grill. Essen die Kinder ja sowieso viel lieber. Wie praktisch!

Tja und dann sitzt man da, in diesen praktischen Ferienwohnungen, die man schon Jahre im Voraus und nach seltsamen Kriterien (Sie bieten Ponyreiten an? Hervorragend, nehmen wir!) ausgewählt und gebucht hat weil man nicht die einzige Familie ist, die praktische Ferien machen möchte - das Bedürfnis scheint weit verbreitet - und hat in der Regel weniger Platz als zu Hause, ist sich also näher als eigentlich immer und dabei ist es doch in der schönen, geräumigen Wohnung zu Hause schon nah genug! Weil man nicht so weit weg verreist ist (wäre einfach zu unpraktisch), ist das Wetter auch nur ansatzweise schön. Was die wiederum praktische Konsequenz nach sich zieht, dass der Liegestuhl total überflüssig wird. Gut, den hätte man nämlich eh nur von weitem gesehen. Vor lauter praktischer Sachen packen gingen die Bücher zu Hause vergessen? Macht nichts. Kleine Kinder finden es nämlich voll öd – und tun das auch lautstark kund -, wenn Mama und Papa bei schlechtem Wetter in der kleinen Ferienwohnung Bücher lesen wollen, während sie mit weniger Spielsachen als zu Hause spielen sollen. Erholung? Ach, Hauptsache die Kinder hatten Spass!

Das Gute ist, dass Kinder grösser werden. Und dass nach unzähligen Wochen naher Ferien in kleinen, praktisch eingerichteten Wohnungen mit grossen Spielplätzen und viel Kindergeschrei in unmittelbarer Nähe bei vielen Eltern eine Art Schmerzgrenze erreicht ist. Und man sich wieder darauf besinnt, dass es ja einmal eine Zeit gab, wo man einfach schöne Ferien machen wollte. 

Ich werde an dieser Stelle dann auch gerne berichten, ob ich diesen Herbst auf der coolen Surfer-Insel tatsächlich SUP ausprobiert, Wellenreiten gelernt und mit dem Kite nicht irgendwo hängengeblieben bin (doch, doch Kinder, Mami ist schon auch mit in den Ferien, ihr müsst nur ganz früh am Morgen aufstehen, dann seht ihr sie auch mal. Und ganz genau schauen: Der kreischende, kleine Punkt dort draussen am Horizont, das ist sie!) und wie wohltuend entspannt und allerseits beruhigend die Kanada-Rundreise in der wilden, einsamen Natur war… Nein, kein Augenrollen und mitleidiges Seufzen an dieser Stelle, wir lassen dieses Projekt und die Kinder noch mindestens zwei Jahre reifen. Aber dann werden wir alle so was von bereit für viel Ruhe, abgeschiedene Natur und ab und zu einen Bären sein, das sage ich Ihnen. Träume werden doch wahr, wenn man ganz fest an sie glaubt...? Ist doch so..., nicht...?!  

Ich wünsche Ihnen schöne Ferien!

1 Kommentar:

  1. Wir haben phase 1 ausgelassen und steigen direkt bei phase 2 ein. Canada muss auch noch ein bisschen warten :-)

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